Sportsgeist steht vor dem Erfolg

12. October 2016

Mit dem 7:5 (4:4, 3:3, 1:1)-Sieg nach Elfmeterschießen über Landesklasse-Vertreter TSV Kleinmühlingen/Zens hat Salzlandligist TSG Calbe II am Sonntag nicht nur für eine echte Pokal-Überraschung gesorgt, sondern dabei auch großen Sportsgeist bewiesen.

Benjamin Nickel wusste es am Sonntagnachmittag als Erster: „Er setzt den jetzt drüber.“ Dirk Bizuga konnte sich allerdings über die Worte des Schiedsrichterassistenten nur wundern. Dort am Elfmeterpunkt stand schließlich Patrick Daniel – „unser Schütze vom Dienst“, wie Calbes Coach präzisierte. Im Normalfall wäre sein Schützling also angelaufen, hätte eine Ecke anvisiert und getroffen. Aber was war an dieser Szene aus der 83. Minute schon normal?

Ein absichtlich vergebener Strafstoß. Seitdem auch der deutsche Fußball spätestens mit dem Auffliegen der „Hoyzer-Affäre“ seine Unschuld eingebüßt hat, durfte man an diesem Punkt skeptisch werden. Doch im vorliegenden Fall vom Sonntag standen keine zwielichtigen Wett-Paten hinter dem Schuss in die Wolken, der Calbenser Daniel hatte das hehrste Motiv des Sports im Sinn: Fairplay.

Die Szene, die zum Strafstoß führte, war bereits kurios. Die Gastgeber spielten in Person von Paul Gehrmann einen Eckball nur wenige Umdrehungen in den Strafraum zurück. Dabei bekannte er: „Das war keine Ecke.“ Auf der Gegenseite hatte Christoph Berlau in der ersten Halbzeit ebenfalls einen unberechtigten Eckball eingestanden, der Pfiff wurde korrigiert und es ging mit Abstoß für die TSG-Reserve weiter. Im irrtümlichen Glauben, die Entscheidung sei nun ebenso zurückgenommen und der Ball sei entsprechend aus dem Spiel, griff Kleinmühlingens Sebastian Durrhack nach dem Leder, um Torhüter Sebastian Brandt einen zügigen Abstoß zu ermöglichen. Als Schiedsrichter Stefan Schmuck (Bernburg) jedoch auf den Elfmeterpunkt deutete und – regelkonform – auf Handstrafstoß entschied, verstanden die Gäste die Welt nicht mehr.

Dass Daniel anschließend bewusst zu hoch ansetzte, ist als umso ehrenwertere Geste zu sehen, da die Gäste zuvor durch den eingewechselten Lucas Süßmilch den 3:3-Ausgleich erzielt hatten. Ein neuerlicher Führungswechsel dürfte dem Spiel vielleicht nicht mit Sicherheit, aber mit einiger Wahrscheinlichkeit die letztliche Entscheidung vom Punkt genommen haben. Und hätte im finalen „Shootout“ nicht die TSG-Reserve das glücklichere Füßchen gehabt – viele der 67 Zuschauer vom Sonntag hätten sicher noch einmal bei Daniel nachgefragt, ob Sportsgeist tatsächlich vor den Erfolg zu setzen ist.

Auch wenn es der Sonntag eindrucksvoll gezeigt hat: Als Anhänger der Heger-Kicker kann man in diesen Tagen schon einmal daran zweifeln, dass der „saubere“ Weg zum Ziel führt. Seit sechs Spieltagen erntet die TSG II in der Salzlandliga so regelmäßig Lob wie sie auf Zählbares wartet. „Mit Duellen gegen fünf favorisierte Teams und unserem ‚Angstgegner‘ aus Egeln wussten wir, dass uns ein hartes Auftaktprogramm erwartet“, erklärte Bizuga. Doch dass derzeit nur ein magerer Zähler als Ausbeute steht, hatten sich Trainer und Team doch anders erhofft.

Entsprechend galt das Kräftemessen mit dem Landesklasse-Vertreter und Ortsnachbarn im Pokal vorab weniger als Auf-, denn als Beigabe: „Wir haben wenig bis keinen Druck verspürt, aber die Mannschaft war heiß. Schließlich stehen bei uns auch drei ehemalige Kleinmühlinger im Team. Denen muss man vorher natürlich nicht mehr viel sagen. Die Vorgabe lautete daher einfach: Spaß haben.“

Und den hatte die TSG-Reserve gewiss: Eine frühe eigene Führung (4.), einen zweimaligen Rückstand in der regulären Spielzeit (1:2) und in der Verlängerung (3:4) aufgeholt und mit 3:1 auch die Nervenschlacht im Elfmeterschießen gewonnen. Ohne Frage: Die Achtelfinalbegegnung hatte ungeahnte Kräfte freigesetzt, die es nun auch mit in den Liga-Alltag mitzunehmen gilt. „Auch wenn wir das Erreichen des Viertelfinals durch drei Verletzte bezahlen mussten, haben wir eine ganze Menge Moral und Mentalität gesammelt. Wenn es uns am kommenden Sonntag gelingt, dies im Sechs-Punkte-Spiel gegen Fortuna Schneidlingen abzurufen, muss uns keineswegs bange sein“, zeigte sich Bizuga zuversichtlich. Vielleicht bringt im Heimspiel ab 14 Uhr ja auch ein Elfmeter die Entscheidung.

Quelle: Volksstimme Schönebeck vom 12. Oktober 2016


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